Mimus by Lilli Thal
Autor:Lilli Thal [Thal, Lilli]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Die Wohnräume der königlichen Familie, soweit Florin sie kannte, waren alle hell und groÃzügig, doch Alix' Gemach war besonders hübsch: mit drei groÃen Bogenfenstern, gemütlich gepolsterten Fensternischen, einem dicken Wollteppich am Boden und einer Zimmerdecke, die über und über mit Blumenranken bemalt war.
Alix saà am Fenster und wartete ab, bis Marsus die Tür hinter sich geschlossen hatte. Florins Magen zog sich zusammen: Welche Rache hatte sie sich ausgedacht? Eines stand fest: Er würde sich weder entschuldigen noch um Gnade bitten.
âDu bist kein Prinz mehrâ, begann sie ohne jede Einleitung. âDu bist unser Hofnarr und hast zu tun, was ich dir sage. Für dein Weglaufen verdienst du Hiebe, aberâ, sie stockte kurz, âdies eine Mal will ich es noch durchgehen lassen. Du sollst lernen, dass eine Vinländer Königstochter zu GroÃherzigkeit fähig ist.â
Entgeistert blickte Florin sie an. Das hochmütige Prinzesslein hatte sich seine Worte tatsächlich zu Herzen genommen!
âSag doch wasâ, forderte sie ungeduldig. âIch verzeihe dir edelmütig, und du staunst mich aus kugelrunden Augen an. Du bist kein Hofnarr, sondern eine lahme Ente. Mimus hätte mir längst den passenden Spruch an den Kopf geworfen.â
âIch lerne ja nochâ, sagte er verlegen.
Sie wies auf die gepolsterte Bank ihr gegenüber. âSetz dich.â
Merkwürdig fühlte sich das Polster an. Seit seinem ersten Abend auf Burg Bellingar hatte Florin nicht mehr auf einem Stuhl gesessen.
âAhm â schön wohnst du, Prinzessinâ, sagte er, um die peinliche Stille zu überbrücken.
âDabei ist die Zierde meines Gemachs gar nicht anwesend.â Alix wies auf ein groÃes Himmelbett an der hinteren Wand. âDies ist die Schlafstatt der tugendhaften Gräfin Bertrun, meiner Erzieherinâ, erklärte sie. âRiecht nach alten Truhen, stickt wie eine Besessene, schläft beim Mühlespiel ein â und wird von allen nur Bertrun das Ross genannt.â
Gegen seinen Willen musste Florin grinsen. âIch glaube, ich hab sie schon gesehen.â Er dachte an die pferdegesichtige Hofdame beim Mittagsmahl. âWo ist sie? Und wo ist deine Zofe?â
âMein wertes Ross weilt für eine Woche bei ihrer Schwester. Um neue Kräfte zu sammeln!â Alix lachte. âUnd meine beiden Zofen habe ich in den Garten geschickt, meine Winterkleider und Pelze auszuklopfen.â Sie deutete aus dem Fenster. âDort unten â schau!â
Florin blickte hinaus, doch er achtete nicht auf die zwergenhaft kleinen Gestalten, die im Burggarten umherwuselten. Er sah auf den Himmel, der hoch war und von so klarem Blau, wie er es nur im Herbst sein konnte, auf den Wald, dessen buntes Laub in der Sonne glänzte â¦
âSchön, nicht wahr?â, fragte Alix.
Verlegen zog Florin die Hände zurück; ohne es zu merken, hatte er sie gegen den Fensterrahmen gepresst.
âVermisst du das da?â Mit einer Geste umfasste sie Wald und Himmel.
Florin konnte nur nicken.
âIch habe mit meinem Vater geredetâ, sagte sie. âEr bleibt hart: Du darfst die Burg nicht verlassen.â
Nichts anderes hatte Florin erwartet.
âAndererseitsâ, fuhr Alix mit einem kleinen Lächeln fort, âwird niemand mich daran hindern, in Begleitung eines Pagen einen Spaziergang zu machen.â
Unvermittelt begann Florins Herz schneller zu schlagen. âUnd?â
âDer Page bist du. Ich besorge dir die Kleider.â
Sofort war Florin auf der Hut. War das eine Falle? Sah so ihre Rache aus?
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